Bestände zum Ersten Weltkrieg im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt
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Die im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt aus dem Zeitraum 1914 bis 1918 verwahrten umfangreichen Bestände spiegeln vor allem gesellschaftliche, wirtschaftliche und militärische Aspekte des Ersten Weltkrieges in der preußischen Provinz Sachsen und dem Herzogtum bzw. dem Freistaat Anhalt wider. Die folgende Übersicht ist eine allgemein gehaltene Einführung mit beispielhaft aufgeführten Beständen und soll als erste Orientierung dienen. Da natürlich auch in anderen Beständen sowie in nicht erwarteten Zusammenhängen oder Laufzeiten dem Thema entsprechende Unterlagen vorliegen können, ist für eine ausführlichere Beschäftigung eine Beratung und Durchsicht der Findmittel vor Ort ausdrücklich zu empfehlen. Angaben zu den genannten und weiteren Beständen sind im Internetportal des Landeshauptarchivs Sachsen-Anhalt recherchierbar, die Benutzung erfolgt dann jeweils in den Lesesälen der Standorte Magdeburg, Wernigerode, Merseburg und Dessau.
Behördenbestände
Für die Provinz Sachsen dokumentieren zahlreiche Akten des Oberpräsidenten und der ihm zumeist unmittelbar unterstellten Ämter, Einrichtungen und Behörden die Zeit von der Mobilmachung und deren Auswirkungen bis hin zu den im Laufe der Zeit immer deutlicher zu Tage tretenden Folgen des Krieges. Zu entnehmen sind hier beispielsweise Informationen über die Bemühungen staatlicher Stellen, den immer größer werdenden Mangel an Nahrungsmitteln zu verwalten durch Überwachung von Preisen und Märkten oder durch Erlass entsprechender Vorschriften für Wirtschaft und Handel (z.B. Provinzialfettstelle, Provinzial-kartoffelstelle, Kriegswucheramt). Berichte der Landräte über die Situation in den Kreisen der Provinz können das Bild ergänzen. Ebenso zeugen eine Vielzahl von Akten von der Einrichtung und Organisation der dringend benötigten Fürsorge für Soldatenfamilien, Kriegsbeschädigte und Hinterbliebene. Sie geben Auskunft zur Unterbringung von Kriegsbeschädigten in Pflegeheimen und Provinzialheilanstalten, zu deren medizinischer Versorgung, teilweise auch zu ihrer anschließenden Vermittlung in neue Arbeitsstellen.
Die Kriegs- und Nachkriegszeit wird aber auch durch Quellen zu politischen Ereignissen und Auseinandersetzungen dieser Jahre dokumentiert (z.B. Meldestelle). So liegen Akten zur Pressezensur und ihren Auswirkungen oder zur Bildung von Arbeiter- und Bauernräten sowie von Soldatenräten vor.
C 20 I Oberpräsident der Provinz Sachsen, Allgemeine Abt.; C 20 XIII Oberpräsident, Meldestelle; C 28 Regierung Magdeburg; C 30 Landratsämter; C 92 Provinzialverband (Benutzungsort: Magdeburg)
C 48 Regierung Merseburg; C 50 Landratsämter Bitterfeld, Delitzsch, Eckartsberga, Querfurt, Torgau, Weißenfels und Zeitz (Benutzungsort: Merseburg)

Deckblatt der Broschüre „Wie werde ich bei einer aus Anlass des Krieges erlittenen Beschädigung versorgt?“, LHASA, WR, F 83 Bergrevier Nordhausen-Stolberg, Nr. 349.
Für das Herzogtum bzw. den Freistaat Anhalt ist die Überlieferung der staatlichen Bestände von zahlreichen Kriegsverlusten betroffen. Sie spiegelt vor allem die Mobilmachung (z.B. Z 150, Nr. 373), die Sammlungen durch die Bevölkerung (z.B. Z 116-2, Nr. 19, 20), die Besteuerung von Kriegsgewinnen (z.B. Z 109, Nr. 2727 ff.), die Auszeichnung verdienstvoller Kriegshandlungen (z.B. Z 109, Nr. 945 ff.) und die Umsetzung des Friedensvertrages (z.B. Z 116-1, IV Nr. 9) wider. Die Überlieferung des Statistischen Landesamtes (Z 118) beinhaltet in Akten mit allgemein gehaltenen Titeln wie „Kanzlei-Angelegenheiten“ (Nr. 10, 11) oder „Allgemeine Angelegenheiten“ (Nr. 20), Quellen zur Hinterbliebenenfürsorge, zur Zeichnung von Kriegsanleihen und auch zu Flugblattaktionen gegen die Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung. Auf der Ebene der Kreisdirektionen (v.a. Z 141 und 149), der Kreiskommunalverwaltungen (v. a. Z 150) und Ämter (v.a. Z 155, 156 und 176) finden sich Akten zur Überwachung der Kriegsberichterstattung der Presse (z.B. Z 149, Nr. 226/2, 226/3), zur Kriegsbeschädigtenfürsorge (z.B. Z 176, Nr. 1) sowie zur Beschäftigung und Unterbringung ausländischer Arbeiter und Kriegsgefangener (z.B. Z 149, Nr. 819; Z 150, Nr. 380; Z 155, Nr. 93, 94).
Z 109 Staatsministerium, Z 116 Regierung Dessau, Z 118 Statistisches Landesamt, Z 141 Kreisdirektion Dessau-Köthen, Z 149 Kreisdirektion Zerbst, Z 150 Kreiskommunalverwaltung Zerbst, Z 155 Amt Großalsleben, Z 156 Amt Neudorf, Z 176 Amt Cobbelsdorf (Benutzungsort: Dessau)
Wirtschaftsbestände
Für die Provinz Sachsen
enthalten die entsprechenden Bestände mitunter nur verhältnismäßig
wenige Unterlagen, die im unmittelbaren Zusammenhang zum Ersten
Weltkrieg stehen, so zum Beispiel Informationen zur Kriegsproduktion,
zum Einsatz von Kriegsgefangenen und Fremdarbeitern, zu Kriegshilfen und
zur Fürsorge für Hinterbliebene. Darüber hinaus sind vor allem aus dem
Bereich der Unternehmensleitungen weitere Akten aus dem Zeitraum 1914
bis 1918 überliefert, die unter allgemeineren Titeln verzeichnet sind
und die möglicherweise ebenfalls relevante Informationen zum Thema
enthalten könnten. Die schriftliche Überlieferung ergänzen können
Fotosammlungen in den Wirtschaftbeständen (hier vor allem I 525
Leuna-Werke).
F 109 Gewerkschaft
Heiligenmühle, Oldisleben - Oechsen Rhön; F 111 Kaliwerk Staßfurt; F 120
Kaliwerk Aschersleben; F 134 Gewerkschaft Concordia, Nachterstedt; I 21
Kupferwerk Ilsenburg AG; I 24 Eisenhüttenwerk Thale AG; I 28 Fried.
Krupp Grusonwerk AG, Magdeburg (Maschinenbau, Eisen- und Stahlgießerei);
I 33 Maschinenfabrik Buckau R. Wolf AG, Magdeburg; I 36 Polte oHG,
Patronen-, Munitionsmaschinen- und Armaturenfabrik, Magdeburg; I 40 G.
Sauerbrey Maschinenfabrik AG, Staßfurt; I 42 Schäffer und Budenberg
GmbH, Armaturen- und Meßinstrumente, Magdeburg; I 62 H. C. Bestehorn,
Aschersleben (Papierverarbeitung); I 76 Zuckerraffinerie Fr. Meyers Sohn
AG, Tangermünde; I 82 Gebrüder Dippe AG, Samen- und
Pflanzenzuchtbetrieb, Quedlinburg (Benutzungsort: Magdeburg)
C
110 Halle Industrie- und Handelskammer Halle (Saale); F 504
Braunkohlen- und Brikettindustrie AG, Werksdirektion Mückenberg; F 513
Elektrowerke AG, Berlin, Braunkohlengrube Golpa; I 506 IG
Farbenindustrie AG, Chemische Werke Bitterfeld; I 532 IG Farbenindustrie
AG, Farbenfabrik Wolfen; F 598 Flußspatgrube Rottleberode; F 596
Gewerkschaft Salzmünde, b. Teutschenthal; F 597 Kaliwerk Krügershall AG,
Teutschenthal; I 525 Leuna-Werke; I 566 Gottfried Lindner AG,
Waggonfabrik Ammendorf; F 604 Mansfeld AG, Eisleben; F 526 Michel-Werke
Halle, Gewerkschaft Gute Hoffnung, Großkayna; I 540 Mitteldeutsche
Stahlwerke AG Riesa, Werk Lauchhammer; I 547 Wegelin & Hübner
Maschinenfabrik und Eisengießerei AG, Halle (Saale) (Benutzungsort:
Merseburg)

Der
erste Zug mit Ammoniakwasser verlässt am 28.04.1917 nach elfmonatiger
Bauzeit das Leuna-Werk. Aufschriften Kesselwagen: „Glück Auf!
Leuna-Werke“ und „Franzosen-Tod! Glück Auf!“, LHASA, MER, I 525
Leuna-Werke, Fotosammlung Nr. 786.
Die
in der behördlichen Überlieferung zur Montanindustrie enthaltenen
Archivalien dokumentieren u. a. die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges
auf den Bergbau und die betriebliche Lage der einzelnen Werke, auf
Versorgung, kriegsbedingte Sparmaßnahmen, Streiks, Arbeiterunruhen, die
Einziehung von Bergarbeitern zum Militär sowie die
Hinterbliebenenfürsorge, die Heranziehung von Bergarbeitern in die
Landwirtschaft und die Beschäftigung von Kriegsgefangenen.
F
38 Oberbergamt Halle und nachgeordnete Bergreviere F 82 Eisleben, F 71
Halberstadt, F 80 Halle, F 73 Magdeburg, F 83 Nordhausen-Stolberg und F
81 Naumburg; F 48 Berginspektion Staßfurt; Salzämter F 45 Artern, F 47
Dürrenberg und F 43 Schönebeck (Benutzungsort: Wernigerode)
Anhalt besaß
trotz relativ geringer Fläche und Bevölkerungszahl wegen seiner
überdurchschnittlich hohen Industrialisierung, einer gut entwickelten
Landwirtschaft und seines Kali- und Braunkohlenbergbaus eine hohe
Bedeutung für die Kriegswirtschaft. Daher sind die mit dem Ersten
Weltkrieg einhergehenden Anforderungen an die Kriegsproduktion vor allem
in den Wirtschaftsbeständen der Unternehmen nachvollziehbar. Neben
fotografischen Dokumentationen und Feldpostsendungen von
Kriegsteilnehmern aus der Firmenbelegschaft (z.B. I 414, Nr. 179, 440)
liegen Quellen zur Kriegswirtschaft (z.B. F 412, Nr. 346), zu gefallenen
Belegschaftsmitgliedern (z.B. F 412, Nr. 960 und 1098), über
Zuwendungen der Heimatbetriebe an die Kriegsteilnehmer (z.B. F 412, Nr.
1231), zur Umstellung des Produktionsprofils der Firmen und Bewerbung
der Kriegsprodukte (z.B. I 412, Nr. 561 und 595), zur Demobilmachung
(z.B. F 412, Nr. 212 und 1072) sowie über die Beschäftigung von
Kriegsbeschädigten (z.B. F 412, Nr. 1104) und die Behandlung von
Kriegsgefangenen (z.B. I 414, Nr. 7 und 344) vor.
I
414 G. Polysius AG Dessau; I 412 Junkers & Co. Fabrik
wärmetechnischer Geräte Dessau; F 412 Deutsche Solvaywerke Bernburg; F
406 Anhaltische Salzwerke Leopoldshall GmbH (Benutzungsort: Dessau)

Feldbadewagen
von Junkers & Co für Militärzwecke, 1914, LHASA, DE, I 412 Junkers
und Co. Dessau. Fabrik wärmetechnischer Geräte, Nr. 599 fol. 45.
Weitere Bestandsgruppen
Die Tektonikgruppe der Adelsarchive (Herrschaftsarchive,
Gutsarchive, Familienarchive und -stiftungen) vereinigt
nicht-staatliche Bestände von landwirtschaftlichen Gütern und privates
Schriftgut ihrer oft adligen Besitzer. Einige dieser Bestände enthalten
Kriegstagebücher, Feldpostbriefe, Erlebnisberichte und Fotosammlungen
als unmittelbaren Zugang zu den Kriegserlebnissen der häufig als
Offiziere dienenden Rittergutsbesitzer und lassen so die persönliche
Sicht des Einzelnen in diesem Krieg sichtbar werden. Die Überlieferung
zur Gutswirtschaft hält Unterlagen zum Einsatz von Kriegsgefangenen in
der Landwirtschaft bereit. Die Wirren der unmittelbaren Nachkriegszeit
werden durch die Einrichtung von Bürgerwehren, aber auch von Stiftungen
zur Versorgung von Kriegsinvaliden dokumentiert.
Benutzungsort:
vor allem Wernigerode, aber auch z.B. E 191 Familie von Kalitzsch (Nr.
67); H 110 Gutsarchiv Ilberstedt (Familie von Biedersee, Nr. 156 und
158) (Benutzungsort: Dessau)
In der Tektonikgruppe Nachlässe sind beispielsweise in den Sammlungen des Volkskundlers Alfred Wirth auch solche zu Soldatenliedern zu finden.
E 150, Nr. 464 und 644 (Alfred Wirth) (Benutzungsort: Dessau)
Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abt. Magdeburg(Stand: 02/2013)