Sammlungen zum Ersten Weltkrieg in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
Wie andere Bibliotheken hatte auch die Bibliothek der
Universität Göttingen nach Beginn des Weltkriegs begonnen, eine Kriegssammlung
anzulegen. Dazu gehörte neben der Sammlung von Kriegsbriefen und anderen
Selbstzeugnissen (A. Archivalische Quellen) vor allem der Erwerb
zeitgenössischen Schrifttums sowie der Publikationen, in denen nach 1918 der
Krieg publizistisch und historiographisch verarbeitet wurde (B. Bücher und
Zeitschriften (Erwerbungsjahre 1914-1944)). Da die bis 1944 erworbene Literatur
chronologisch aufgestellt wurde, bietet sie ein gutes Bild über die Entwicklung
der zeitgenössischen medialen Auseinandersetzung mit dem Krieg, die von der
offiziellen politischen Propaganda bis zu publizierten Selbstzeugnissen reicht,
wobei auch Publikationen aus den „Feindstaaten“ durchaus intensiv gesammelt
wurden. Da die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
seit 1949 das Sondersammelgebiet zur Sprache und Literatur sowie zur Geschichte
des angloamerikanischen Kulturraums betreut, besitzt die Bibliothek darüber
hinaus auch nennenswerte Bestände an Sekundärliteratur und Mikroformen zum
Ersten Weltkrieg, insbesondere natürlich im Hinblick auf die Geschichte
Großbritanniens, der Vereinigten Staaten sowie Kanadas, Australiens und
Neuseelands (C. Forschungsliteratur (Erwerbungsjahre nach 1945)).
A. Archivalische Quellen
In der Abteilung Spezialsammlungen (Handschriften und Nachlässe) der SUB Göttingen wird eine kleinere Sammlung von Kriegserinnerungen und –briefen aufbewahrt. Der Umfang beläuft sich auf ca. 1 Regalmeter. Es handelt sich zum größeren Teil um zeitgenössische Abschriften von Feldpostbriefen und Tagebüchern, die für die „Nachrichten-Sammelstelle der
Universität Göttingen“ angefertigt wurden. Nach einem zeitgenössischen Inventar (Bibliotheksarchiv der SUB Göttingen, Cod. Ms. C 15:3), das 1921 auf Bitte des
Reichsarchivs angefertigt und diesem für eine Abschrift überlassen worden war, umfasst der bis dahin zusammengetragene Bestand 315 Nummern. Zahlreiche der Verfasser
stammten aus der damaligen preußischen Provinz Hannover mit einem Schwerpunkt
in Göttingen und den anliegenden Regionen (Weserbergland, Harz), zum Teil sind
aber auch Hamburg oder Lübeck und weitere Orte angegeben. Unter Nr. 206 sind
zwei englische Kriegsgefangene, unter Nr. 260 ein „Kriegsgefangener Toulouse“
verzeichnet. Das Spektrum der aus Göttingen stammenden Autoren reicht von
Angehörigen Göttinger Händler und Handwerker (zum Beispiel Weinhandlung Bremer,
Tischlermeister Reitemeier) bis zu Söhnen aus Familien des Bildungsbürgertums.
Dieser Bestand ist in einem handschriftlichen Nachtrag zu
dem Verzeichnis der Handschriften im Preußischen Staate, Abt. 1 Hannover, Bd.
1: Die Handschriften in Göttingen, T. 2, Berlin 1893, zwischen S. 282 und 283
(Exemplar der Abt. Spezialsammlungen (Handschriften und Nachlässe) der SUB
Göttingen), als Nummer 71-75 unter dem pauschalen Titel „Kriegserinnerungen
1900-1918“ verzeichnet. Die Sammlung wurde indes auch noch nach 1921 ergänzt
durch einzelne Schenkungen und Überlassungen. Diese sind in dem genannten
Verzeichnis der Handschriften unter den Nummern 76-82 aufgeführt. So finden
sich hier zum Beispiel das Kriegstagebuch des Leutnants der Reserve J. Schlange
von 1914/15, Kriegsbriefe des Stabsarztes Ritter oder von Mitgliedern der
Göttinger Studentenverbindung Wingolf.
B. Bücher und
Zeitschriften (Erwerbungsjahre 1914-1944)
In weitaus umfassenderem Maße hat die damalige Universitätsbibliothek
zeitgenössische Publikationen zum Weltkrieg gesammelt und in einem großen, über
6.200 Titel umfassenden Bestand innerhalb des Signaturbereichs Historia
Universalis (H UN VIII bis H UN IX) geschlossen aufgestellt. Dieser Bestand wurde
– im Unterschied zu den damaligen Usancen – nicht feinsystematisch erfasst und
aufgestellt, sondern chronologisch nach Erscheinungsjahren. Deshalb wurde er im
zeitgenössischen Bandrealkatalog über einen Schlagwortindex zusätzlich
erschlossen. Weit über die Hälfte der damals erworbenen Titel sind während des
Krieges erschienen. Es fällt dabei auf, dass die Sammlung zeitgenössischer
Publikationen bis 1918 jedes Jahr kontinuierlich abnahm, was der angespannten
Personal- und Finanzlage während des Krieges geschuldet gewesen sein dürfte.
Dieser Bestand ist im Online-Katalog der SUB Göttingen, dem
Göttinger Universitäts-Katalog (GUK), vollständig erschlossen und zwar jeweils
für die einzelnen Erscheinungsjahre während des Krieges (wobei bei mehrbändigen
Werken sowie Serien und Zeitschriften später erschienene Bände jeweils zu dem
ersten erworbenen Band hinzugestellt wurden und damit das chronologische
Prinzip durchbrachen) sowie pauschal für die von 1918 bis 1944 erworbene
Literatur.
Der Weltkrieg 1914 bis 1918
Literatur des Jahres 1914 (1473 Titel)
Literatur des Jahres 1915 (1082 Titel)
Literatur des Jahres 1916 (673 Titel)
Literatur des Jahres 1917 (482 Titel)
Literatur der Jahre 1918-1944 (2586 Titel)
Die Sammlung enthält natürlich die von offiziellen Stellen
herausgegebene frühe politische Publizistik zum Krieg, die Debatten zur Kriegsschuldfrage
etc., sowie natürlich auch die ersten, auf militärische Ereignisse und
Gesichtspunkte fokussierten Darstellungen zu einzelnen Schlachten und Kampagnen
oder der Geschichte einzelner Regimenter.
Neben politischer Publizistik und zeitgenössischer Pamphletliteratur
haben die Bibliothekare aber auch Erlebnisberichte und autobiographische
Zeugnisse gesammelt. Es fällt auf, dass sich der Bestand nicht allein auf die
in Deutschland oder dem neutralen Ausland, wie der Schweiz, veröffentlichte
Literatur konzentriert, sondern auch Literatur aus den „Feindstaaten“,
insbesondere aus Großbritannien und Frankreich, aber auch den erst später in
den Krieg eingetretenen Vereinigten Staaten von Amerika, umfasst. Hier seien,
um nur ein Beispiel zu nennen, aufgrund der Göttinger Sammlungsschwerpunkte die
Schriften der Germanistic Society of Chicago erwähnt.
Durch die chronologische Ordnung der Titel spiegelt der
Bestand sehr gut sowohl die Entwicklung der „offiziellen“ politischen
Diskussion in Deutschland sowie zwischen den verschiedenen Mächten wider als
auch die schon früh einsetzende zeitgenössische Erlebnisliteratur und deren Entwicklung.
Für die Zeit nach 1918 dokumentiert der Bestand den Fortgang der Diskussion um
die Interpretation des Weltkriegs sowie die Geschichte der historiographischen
Bearbeitungen.
C.
Forschungsliteratur (Erwerbungsjahre nach 1945)
Da die SUB Göttingen seit 1949 das von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft geförderte regionale Sondersammelgebiet zum
angloamerikanischen Kulturraum (Großbritannien, Irland, USA, Kanada, Australien
und Neuseeland) betreut, besitzt sie auch einen umfangreichen Bestand an Sekundärliteratur
zur Geschichte dieser Länder und deren Beteiligung am Ersten Weltkrieg. Die
Titel sind vollständig im Online-Katalog, dem Göttinger Universitäts-Katalog
(GUK) erschlossen. Während eine thematische Suche für die älteren, bis 1990
erworbenen Titel nur über einen lokalen systematischen Zettelkatalog möglich
ist, sind die seit Mitte der 1990er Jahre erworbenen Titel auch über
thematische Suchen im Online-Katalog zugänglich.
Geschichte des ersten Weltkrieges
Die so erschlossenen Bestände beziehen sich nur auf
Sekundärliteratur, die sich mit der Geschichte des Ersten Weltkrieges im
engeren Sinne befasst. Weitere Sekundärliteratur zu den Ländern des
angloamerikanischen Kulturraums jener Zeit kann über die entsprechenden
Bereiche der thematischen Suche des Göttinger Universitätskataloges ermittelt
werden <http://www.sub.uni-goettingen.de/geisteswissenschaften-und-theologie/geschichtswissenschaft/thematische-suche/>.
(Stand: 5.5.2014; Bearbeiter: Wilfried Enderle)