Das Hauptstaatsarchiv Dresden und seine Militärbestände bis 1921
Das Hauptstaatsarchiv Dresden verwahrte zum 31. Dezember 2004 insgesamt 49.791 Urkunden, 41.118 lfm Akten und 330.974 Karten und Pläne aus dem Zeitraum einer übertausendjährigen sächsischen Geschichte. Einen besonderen Stellenwert im Rahmen dieser umfangreichen und historisch relevanten Quellen nimmt das Archivgut militärischer Provenienz ein. Die Bestände der sächsischen Militärverwaltung und der sächsischen Armee umfassen ca. 120.000 Akteneinheiten bzw. ca. 2.500 lfm Akten aus dem Zeitraum von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis in die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Diese Bestände stehen der öffentlichen Benutzung auf der Grundlage der archivgesetzlichen Bestimmungen uneingeschränkt zur Verfügung.
Erst mit der deutschen Wiedervereinigung wurde es möglich, die Aktenbestände der sächsischen Militärbehörden und Armeeformationen bis 1921 in einem zentralen staatlichen Archiv, dem heutigen Hauptstaatsarchiv Dresden, zusammenzufassen. Am 14. Juni 1991 übergab das Bundesarchiv, Abt. Militärarchiv, die sächsischen Militärbestände im Umfang von etwa 87.000 Akteneinheiten aus dem Zeitraum von 1831 bis 1921 im Zuge der Bestandsabgrenzung an das damalige Staatsarchiv Dresden. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren diese Bestände von der Sowjetischen Militäradministration beschlagnahmt, in die Peter-Pauls-Festung nach Leningrad verbracht und 1955 an die DDR zurückgegeben worden, wo die Quellengrundlage für das spätere Militärarchiv der DDR in Potsdam bildeten.
Der alliierte Luftangriff auf Dresden am 13. Februar 1945 beschädigte auch das Archivgebäude Marienallee 3 des ehemaligen Sächsischen Kriegsarchivs schwer. Zu den Kriegsverlusten zählten u.a. die dort verwahrten Militärstammrollen der Königlich Sächsischen Armee für den Zeitraum von 1867 bis 1918. Das damalige Sächsische Hauptstaatsarchiv Dresden konnte aber den größten Teil der sich im Archivgebäude Marienallee 3 befindlichen Bestände sichern.
Die überlieferten Aktenbestände der sächsischen Militärbehörden und Armeeformationen dokumentieren rund 400 Jahre sächsische Militärgeschichte und bilden gleichzeitig eine wichtige Quellengrundlage für die deutsche Militärgeschichtsschreibung insgesamt. Ihre Bedeutung ist um so höher einzuschätzen, als das preußische Archivgut militärischer Provenienz beim alliierten Luftangriff auf Potsdam am 14. April 1945 fast vollständig vernichtet wurde.
Inhaltliche Schwerpunkte der Akten, Urkunden und Karten des ehemaligen „Kriegsarchivs“ sind die Bestände Geheimes Kriegsratskollegium als ältester Militärverwaltungsbehörde, die Musterungslisten und Monats-(Verpflegungs-)listen mit familien- und sozialgeschichtlichen Informationen über alle bis 1866 gemusterten Militärpersonen der sächsischen Truppenteile, die Akten des Sächsischen Kriegsministeriums (1831-1918), der Verbände und Truppenteile der sächsischen Armee bis 1921. Umfangreiche militärische Karten und Pläne dokumentieren alle Feldzüge und Kriege bis 1918. Fotos und technische Zeichnungen zeigen die Entwicklung der Militärtechnik, so z.B. ein Foto eines britischen mittleren Kampfpanzers „Mark IV“ der in der Tankschlacht bei Cambrai (20.11.-6.12.1917) durch das sächsische 7. Feldartillerie-Regiment Nr. 77 erbeutet wurde.
Für den Zeitraum des Ersten Weltkrieges 1914-1918 sind neben dem Sächsischen Kriegsministerium folgende Bestände der Militärverwaltung besonders herauszustellen, die im fraglichen Zeitraum eine besonders günstige Überlieferung zeigen: Sächsischer Militärbevollmächtigter in Berlin (1866-1919), Ministerium für Militärwesen (1914-1922) und Heeresabwicklungsamt Sachsen (1919-1922). Der Militärbevollmächtigte vermittelte von 1873 bis 1920 den Geschäftsverkehr zwischen dem sächsischen und dem preußischen Kriegsminister. Die Kampfhandlungen der sächsischen Armee während des Ersten Weltkrieges dokumentieren ferner die Bestände der folgenden Formationen: Generalkommando des XII. Armeekorps (1806-1920), Generalkommando des XIX. Armeekorps (1852-1921), Armeeoberkommando der 3. Armee (1914-1920), Generalkommando des XII. Reservekorps (1914-1920) und Generalkommando des XXVII. Reservekorps (1914-1919). Besonderer Aufmerksamkeit sind ferner die Kriegstagebücher des sächsischen Königs Friedrich August III. (1865-1932) im Bestand Militärzeitgeschichtliche Sammlung empfohlen, die umfangreiche Fotodokumentationen über seine Frontbesuche beinhalten. Die Lage an der „Heimatfront“ und Fragen der Kriegswirtschaft schließlich widerspiegeln die bestände des Stellvertretenden Generalkommandos des XII. Armeekorps (1902-1921), der Kriegsamtstelle Dresden (1892-1921), des Stellvertretenden Generalkommandos des XIX. Armeekorps (1909-1921) und der Kriegsamtstelle Leipzig (1914-1921).
Die Militärbestände der Reichswehr und der Wehrmacht einschließlich der sächsischen Heeresformationen für den Zeitraum von 1921 bis 1945 verwahrt zuständigkeitshalber das Bundesarchiv – Militärarchiv in Freiburg.
Dr. Beck
Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden